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HINTERGRUND-Deutsches Brexit-Dilemma - Wie sag ich's den Briten?

Veröffentlicht am 29.04.2016, 10:51
© Reuters. A car sticker with a logo encouraging people to leave the EU is seen on a car, in Llandudno, Wales.

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Vergangene Woche hat US-Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in London ein Ventil in der Brexit-Debatte geöffnet:

Seine Warnung, die Briten würden sich bei einem Austritt aus der EU "am Ende der Warteschlange" bei einem Freihandelsabkommen mit den USA wiederfinden, wurde von Austrittsbefürwortern auf der Insel harsch kritisiert. Aber seither fühlen sich deutsche Politiker mutiger, ebenfalls einen Kommentar zu dem Referendum am 23. Juni abzugeben. Die neue Offenheit könnte den Wahlkampf in Großbritannien verändern.

Es sei zwar noch zu früh, die Auswirkung der Obama-Äußerung auf die Brexit-Kampagne wirklich einschätzen zu können, sagte der britische Europaminister David Lidington am Donnerstag in Berlin, der vehement für einen Verbleib seines Landes in der EU wirbt. Tatsächlich sehen auch die jüngsten Umfragen weiter ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern eines Austritts. Aber Obama habe auf jeden Fall mit einem Schlag klar gemacht, dass die Argumentation des Brexit-Lagers falsch sei, man könne ohne großen Schaden aus der EU austreten, meint der konservative britische Politiker. "Seit Montag argumentieren die Austrittsbefürworter plötzlich nicht mehr mit der Wirtschaft, sondern Migrationsfragen", meint er.

MERKEL UND STEINMEIER BREMSEN KRITIK EHER

In Deutschland hatte lange das Lager die Oberhand, das meint, dass man die Briten nicht unter Druck setzen dürfe. Einmischung von außen sei kontraproduktiv, argumentierte Kanzlerin Angela Merkel, die die Briten unbedingt in der Union halten will. "Ich glaube, es wäre kein guter Rat, von Europa aus zu drohen", warnte auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag. "Im Zweifel kennen die Briten ihre Interessen, sie wissen auch um die wirtschaftlichen Nachteile, die ein Verlassen der EU hätte."

Aber die Stimmungslage unter den Parlamentariern ist eine andere - und das nicht ohne Grund. "Wie beim niederländischen Referendum über das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine ist es auch hier eigentlich falsch, von einer 'nationalen Abstimmung' zu sprechen", wird selbst in Regierungskreisen eingeräumt. Denn von den Folgen seien schließlich alle EU-Partner betroffen. Warum sollte man diese nicht auch benennen dürfen, heißt es in den Fraktionen. Auch der Brite Lidington selbst weise doch darauf hin, dass die Brexit-Befürworter mit völlig falschen Versprechen arbeiteten.

In den Spitzen der Regierungskoalition in Berlin ist man deshalb mutiger geworden. "Wer raus ist, ist weg", mahnt Unions-Fraktionschef Volker Kauder jetzt. "Austritt ist Austritt", sekundiert CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warnt, es dürfe nach einem Votum gegen Europa nicht auch noch einen Bonus für die Briten geben. "Die britischen Bürger sollten bei ihrer Entscheidung wissen, dass es keine Sonderregelung für Großbritannien geben kann", begründet Hasselfeldt dies. Eine Drohung sei dieser Hinweis aber nicht.

Auch EZB-Präsident Mario Draghi hat sich mittlerweile in die Reihe der offenen Mahner eingereiht. Er warnte die Briten vor gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen bei einem Brexit. Hintergrund ist bei allen das Gefühl, dass ein Wähler in Leicester oder Manchester bei aller Kritik an der EU möglicherweise noch nicht verstehe, was auf dem Spiel stehe. Lidington warnt nun vor einem rechtlichen Chaos, weil kaum zu erwarten sei, dass man innerhalb von zehn Jahren einen neuen Status mit der EU aushandeln könne.

© Reuters. A car sticker with a logo encouraging people to leave the EU is seen on a car, in Llandudno, Wales.

"SAGE SIE, WAS AUF DEM SPIEL STEHT"

Hinter der von Brexit-Befüwortern ins Spiel gebrachten "norwegischen Lösung" oder dem "Schweizer Modell" lauert erhebliche Rechtsunsicherheit. Denn Artikel 50 des EU-Vertrages sieht vor, dass ein Land komplett aus allen EU-Strukturen austreten muss, auch wenn die Verhandlungen über einen neuen Status nach zwei Jahren noch nicht beendet sind. Um dies zu ändern, müssten alle anderen 27 EU-Staaten, gegen die sich die Briten im Brexit-Fall gerade entschieden hätten, einstimmig zustimmen - was als sehr unwahrscheinlich gilt.

"Sagen Sie Ihren britischen Freuden, was auf dem Spiel steht - und dass die Entscheidung am 23. Juni auch Sie etwas angeht", rät Lidington deshalb Kontinentaleuropäern, die sein Land in der EU halten wollen. Hasselfeldt rät zur richtigen Dosierung der Kritik. "Wenn die Warnungen zu massiv kommen, erreichen wir nur das Gegenteil", meint sie. Vorsichtige Hinweise auf die gravierenden wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen müssten deshalb reichen.

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